Die italienische Fotokünstlerin wirft mit ihren Werken einen Blick auf die moderne Wissenschaft und was wir daraus über uns selbst erfahren.
Die Künste und Wissenschaft sind auf den ersten Blick eine ungleiche Paarung. Doch in den Arbeiten der italienischen Fotografin Marina Rosso befeuern sie sich geradezu gegenseitig. Rosso verwendet ihre unverwechselbare Fotokunst, um jene großen Lebensfragen abzubilden und zu erörtern, auf die man im Zuge des wissenschaftlichen Fortschritts immer wieder zurückgeworfen wird. „Ich will mit meinen Arbeiten keine Antworten vorgeben, sondern dass Menschen ihre eigenen Antworten auf Fragen finden, die ich aufwerfe“, erklärt Rosso. „Ich möchte, dass Menschen über etwas nachdenken, was sie sonst möglicherweise gar nicht beachtet hätten.“
Eine ihrer tiefgründigsten Arbeiten, Beautiful Gene, entstand aus der Entdeckung, dass die weltgrößte Samenbank keine Spenden von Rothaarigen mehr annimmt, weil die Nachfrage danach zu gering sei. Rosso wurde daraufhin zur selbsterklärten ,Gen-Schützerin’ und unterstützte Studien, um das bedrohte Genom zu bewahren. „Im Prinzip war es ein Projekt über Bioethik“, so Rosso. „Ich wollte den Ursprung des Lebens in den Fokus rücken.“ Das Endergebnis ihrer Arbeit und Recherche nach Daten, Abbildungen und Kalkulationen war eine Reihe intimer Fotos von Rothaarigen, die die ganze Bandbreite individueller Schönheit feiert.
„Ich will mit meinen Arbeiten keine Antworten vorgeben, sondern dass Menschen ihre eigenen Antworten auf Fragen finden, die ich aufwerfe“
„Wahrscheinlich interessiere ich mich so für Wissenschaft, weil meine Familie sehr religiös ist“, vermutet Rosso. „Ich wollte verstehen, was hinter all den Dogmen steht.“ In weiteren Projekten hat sie die gottähnliche Rolle von Googles Suchalgorithmus behandelt - mittels mehr als amüsanten Abbildungen der häufigsten und absurdesten Suchanfragen (The OOarcle) -, wissenschaftliche Darstellungsweisen erkundet (On Science) und die Ästhetik der Hyperrealität behandelt (The Authentic Fake).
„Manchmal fühle ich mich wie eine Investigativjournalistin“, erklärt Rosso. „Was mich an Kunst so oft langweilt, auch wenn sie vom Ästhetischen her durchaus ansprechend sein kann, ist, dass ich keine menschliche Komponente entdecken kann. Ich will herausfinden, warum etwas von Bedeutung ist. Wenn du journalistisch an die Sache gehst, kannst du vielleicht sogar wirklich etwas verändern.“
Und was steht für diese revolutionäre Künstlerin als Nächstes an? Wir dürfen uns auf ein Video (samt zugehöriger Website) freuen, indem es darum geht, wie die Gesellschaft ein lebenswertes Leben sieht. „Gerade arbeite ich an etwas wirklich Traurigem“, sagt Rosso. „Ich arbeite mit einer Frau, die am Locked-In-Syndrom leidet. Mein Ziel ist es, zu verstehen, was mit Lebensqualität genau gemeint ist.